Humboldt-Universität zu Berlin - Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät - Institut für Informatik

30.12.2013: Nachruf zum Tod von Prof. Gerhard Krüger



Wissenschaftler, Visionär und Manager

 

Der Informatiker Prof. em. Dr. Dr. h.c. mult. Dr.-Ing.E.h.mult. Gerhard Krüger ist gestorben.

 

Ein großartiger Mensch, großer Wissenschaftler und bedeutender Organisator ist von uns gegangen. Gerhard Krüger, der am 9. Oktober verstarb, war einer der entscheidenden international anerkannten Visionäre und Pioniere der Informatikforschung Deutschlands. In seiner Person vereinigten sich der Erkenntnisdrang des Naturwissenschaftlers, die Kreativität des Ingenieurs und die Verantwortung des Wissenschaftlers der Gesellschaft gegenüber. Als Lehrer gelang es ihm hervorragend, seine erarbeiteten Erkenntnisse zur Motivation seiner zahlreichen Schüler zu höchsten wissenschaftlichen Leistungen einzusetzen.

 

Zu den Anfangsstationen seines facettenreichen Werdegangs zählt auch die Humboldt-Universität zu Berlin, wo er 1956 mit einem Diplom in Physik abschloss. Nach seiner Promotion 1959 in Gießen zu einer kernphysikalischen Thematik vollzog sich im Zuge seiner beruflichen Tätigkeit am frisch gegründeten Institut für Angewandte Kernphysik (IAK) am Kernforschungszentrum Karlsruhe (KfK) sein Wechsel vom Physiker zum Informatiker. Der Aufbau eines Computersystems zur Echtzeiterfassung und -verarbeitung von Prozessmessdaten war seine erste Herausforderung als Leiter der dort neugegründeten Datenverarbeitungsgruppe.

 

Nach zahlreichen Forschungsaufenthalten an führenden Forschungsstätten der Informatik in den USA wurde er 1968 zum Gründungsdirektor des Rechenzentrums am KfK ernannt. Es folgten Rufe an verschiedene Universitäten, 1971 wurde er Professor für Betriebssysteme an der Universität Karlsruhe (TH). In seiner Zeit als Dekan der Fakultät für Informatik von 1981 bis 1983 initiierte er ein beachtliches, von Land und Bund gefördertes Ausbauprogramm für die Karlsruher Informatik. Ohne seine weitreichenden Visionen, die er klar, verständlich und überzeugend zu vertreten wusste, wäre dies nicht möglich gewesen.

 

Das von ihm 1982 gegründete Institut für Telematik an der Universität Karlsruhe, das er bis zu seiner Pensionierung Ende 2001 leitete, machte er mit Weitblick zu einem der weltweit führenden Forschungsinstitute auf diesem Gebiet. Der seinerzeit neue Begriff "Telematik" als Kombination der Termini Telekommunikation und Informatik definierte ein Forschungsfeld, das zu der für uns heute so unverzichtbaren, ja geradezu lebensnotwendigen Verschmelzung von Computerunterstützung und Vernetzung führte. In seine Zeit als Präsident der Gesellschaft für Informatik (GI) fällt das "Überregionale Forschungsprogramm Informatik" für den bundesweiten Ausbau der Informatik an den deutschen Universitäten. Dank seines Engagements in der Kommission für Rechenanlagen der Deutschen Forschungsgemeinschaft sind die uns allen bekannten Finanzierungsprogramme zum Aufbau von Computerarbeitsplätzen für Studierende und Wissenschaftler aufgelegt worden. Von 1988 bis 1995 brachte er sich  in verschiedene Arbeitsgruppen des Wissenschaftsrates ein, so zur EDV-Versorgung der Hochschulen, zur Zusammenarbeit von Großforschungseinrichtungen und Hochschulen oder zu Hochgeschwindigkeitsnetzen. Sein Wirken in dieser Zeit war von enormer Bedeutung für den Ausbau der rechentechnischen Infrastruktur  der  Wissenschaftslandschaft Deutschlands.

 

Mit der politischen Wende fielen Gerhard Krüger zu Beginn der 90er Jahre neue Aufgaben zu, denen er sich mit dem für ihn typischen großen Engagement widmete. Als Mitglied verschiedener Kommissionen und Beiräte war er an der Neugründung bzw. Umstrukturierung der Universitäten und anderer akademischer Einrichtungen in den neuen Bundesländern maßgeblich beteiligt, so auch an der Humboldt-Universität. Hier setzte er sich mit Weitblick für die Installation einer starken Informatik auf dem Gebiet Kooperativer Systeme mit einem eigenen Diplomstudiengang ein.

 

Zu den zahlreichen Ehrungen auf verschiedenen Stufen seines Werdegangs, insbesondere seines Lebenswerkes, gehören die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Humboldt-Universität zu Berlin im Jahre 1994, der weitere Ehrendoktorehrungen der Universitäten Lübeck, Jena, Rostock und Ilmenau folgten. 1995 wurde er mit der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse durch den Bundespräsidenten geehrt.

 

Gerhard Krüger hat uns nun verlassen. Sein herausragendes Fachwissen und sein systemischer Weitblick werden uns in Erinnerung bleiben. Er hinterlässt eine beeindruckende Zahl von Schülern, von denen heute viele als Professoren oder leitende Manager tätig sind.

 

Sein Vermächtnis wird auch an der Humboldt-Universität bewahrt werden.

 

 

 

Prof. Dr. sc. Joachim Fischer